Marktanteil von E-Autos steigt unaufhaltsam
Auf Deutschlands Straßen sind immer mehr elektrisch angetriebene Fahrzeuge unterwegs. Mit 350.000 E-Autos erreichte der Absatz 2021 einen neuen Höchstwert. Trotz anhaltender Rohstoffkrise, die vor allem die Herstellung von Chips und Batterien ausbremst. Gegenüber 2020 stieg der Marktanteil elektrisch betriebener Fahrzeuge von 6,7 auf 13 Prozent an.
Einer Prognose der Unternehmensberatung PwC zufolge werden die Marktanteile von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben und Verbrennern bereits in wenigen Jahren gleichziehen.
Nur wenige E-Autos mit nennenswerter Anhängelast
Bei dieser Entwicklung ist es wenig verwunderlich, dass auch immer mehr Caravaner ein E-Fahrzeug als Zugwagen in Erwägung ziehen. Schließlich werden die Reichweiten immer größer und die Ladezeiten kürzer. Doch mit dem Wohnwagen im Schlepptau ist die Anhängelast entscheidend. Und da trennt sich die Spreu vom Weizen, zumal viele E-Autos überhaupt nicht mit einer Anhängekupplung ausgestattet werden können.
Einige Hersteller geben ihre Elektroautos nicht für den Anhängerbetrieb frei, da das zusätzliche Gewicht die ohnehin bereits stark beanspruchten Batterien noch schneller ermüden lässt. Außerdem sind die verwendeten E-Antriebe noch nicht ausreichend unter Dauerbelastung erprobt. Und einen drohenden Imageschaden durch reihenweise überlastete E-Motoren will schließlich kein Hersteller riskieren.
Wohnwagentaugliche E-Autos im Überblick
Bereits bei vielen Einsteiger-Wohnwagen beträgt die zulässige Gesamtmasse mindestens 1.000 Kilo, in der Mittelklasse sind moderne Caravans mit 1.500 bis knapp 2.000 Kilo zu finden. Eine echte Herausforderung, der nur wenige Elektroautos gewachsen sind.
Fahrzeugmodell | Anhängelast gebremst | Reichweite (lt. Hersteller) | Batteriekapazität | Preis |
Hyundai Ionic 5 | 1.600 kg | 430-460 km | 72,6 kWh | ab 48.900 Euro |
VW ID.4 GTX | 1.200 kg | 482 km | 77 kWh | ab 50.415 Euro |
Tesla Model Y | 1.588 kg | 507 km | 75 kWh | ab 56.990 Euro |
Kia EV6 | 1.600 kg | 424 km | 77,4 kWh | ab 58.890 Euro |
Mercedes EQC | 1.800 kg | 436-495 km | 80 kWh | ab 63.093 Euro |
Volvo XC40 Recharge | 1.500 kg | 418 km | 78 kWh | ab 64.900 Euro |
Audi e-tron | 1.800 kg | 405 km | 86 kWh | ab 70.100 Euro |
BMW iX | 2.500 kg | 550-631 km | 111,5 kWh | ab 100.000 Euro |
Tesla Model X Plaid | 2.268 kg | 536 km | 95 kWh | ab 116.990 Euro |
Anhängerbetrieb lässt Reichweite bei E-Autos schrumpfen
Die von den Herstellern kommunizierten Reichweitenangaben sind als Maßstab für den Anhängerbetrieb nicht geeignet. Da es jedoch keine vergleichbaren Reichweiten für die Fahrt mit Wohnwagen gibt, habe ich die Tabelle (oben) auf Herstellerangaben nach WLTP -Messung beschränkt. Die Hersteller beziffern die Reichweite ihrer Autos meist nach dem Messverfahren WLTP.
Ein Praxisbeispiel: Wie weit ein Gespann mit E-Antrieb tatsächlich kommt, hat das Fachmagazin Autozeitung im Rahmen eines Praxistests ermittelt. Dazu hängten die Tester einem Volvo XC40 Recharge einen Weinsberg Caracito 450 FU mit einem Leergewicht von ca. 920 kg an den Haken. Wohnanhänger und Zugwagen wurden mit insgesamt 600 Kilo Gepäck beladen, um realistische Bedingungen zu schaffen.
Den Fahreigenschaften sowie der Leistungsfähigkeit der beiden Elektromotoren attestieren die Tester durchweg gute Noten. Allerdings endete die Fahrt mit Wohnwagen bereits nach 214 Kilometern. Ein kurzer Spaß für ein knapp 65.000 Euro teures E-Auto. Bei einer Vergleichsfahrt ohne Anhänger hielten die Batterien immerhin 108 Kilometer länger durch. Aber selbst das ist wenig im Vergleich zu sparsamen Dieselmotoren, die ohne Tankstopp Entfernungen im vierstelligen Kilometerbereich zurücklegen. Über alle E-Fahrzeuge hinweg halbierte sich die Reichweite in Verbindung mit einem schweren Wohnwagen sogar auf die Hälfte des üblichen Wertes, so der ADAC.
Spezielle Wohnwagen können Reichweitendefizit ausgleichen
Zu einer effizienten Nutzung der E-Mobilität muss auch die Caravanbranche einen Teil beitragen. Erste Wohnwagenhersteller optimieren ihre Wohnanhänger bereits für die Kombination mit einem Elektroauto. Schon 2016 stellte Knaus den auf der Fibre-Frame-Technologie basierenden Travelino vor. Dabei werden geschäumte und versiegelte Formteile mittels Ultraschall miteinander verschweißt. Der so entstehende Rahmen soll 500 Kilo leichter sein als übliche Caravanrahmen. Insgesamt brachte es der 5,19 Meter lange Wohnwagen auf ein zulässiges Gesamtgewicht von 750 Kilo bei 100 Kilo Zuladung. Zwar wurde der Travelino 2021 eingestellt, die Fibre-Frame-Technologie lebt aber im Knaus Deseo weiter.
Hersteller Dethleffs hält sogar selbstangetriebene Wohnwagen für möglich. Mit der Studie Dethleffs e.Home haben die Allgäuer einen ersten Prototyp eines Wohnwagens mit E-Motor und eigener Batterie realisiert. Der elektrische Antrieb unterstützt den Zugwagen als eine Art Range-Extender und entlastet somit den E-Antrieb des Autos. Laut Dethleffs soll der elektrisch angetriebene Wohnwagen sogar sämtliche Reichweitenverluste kompensieren. Dass es sich dabei nicht nur um Zukunftsmusik handelt, hat Dethleffs bereits im Rahmen einer Alpenüberquerung bewiesen. Ein Gespann aus Audi e-tron und Dethleffs e.Home Coco legte die 386 Kilometer lange Strecke von Isny im Allgäu nach Riva am Gardasee erfolgreich ohne Ladepause zurück.
Dethleffs e.Home: Rekordfahrt über die Alpen
Im Januar 2022 zeigte der legendäre amerikanische Caravanhersteller Airstream auf der RV Supershow in Florida ebenfalls ein Konzept für einen elektrisch angetriebenen Wohnwagen, den eStream. Auch wenn Airstream keine Details zur verwendeten Technik nennen möchte, gilt es als sicher, dass der verwendete Antrieb auf der Studie von Dethleffs basiert. Schließlich gehören beide Marken zum amerikanischen Konzern Thor Industries. Sowohl bei Dethleffs e.Home als auch dem Thor eStream ist übrigens kein gesonderter Rangierantrieb nötig. Denn zum Rangieren lassen sich die zwei integrierten 30 kW-Motoren nutzen.
Ladestationen bieten keinen Platz für Gespanne
Geringe Reichweiten wären weniger ein Hindernis, wenn sich E-Autos unkompliziert und schnell laden ließen. Im Alltag zeigt sich jedoch, dass die Parkflächen an den Ladesäulen nicht für Gespanne ausgelegt sind. Für Camper gestaltet sich das Heranfahren an die Ladesäule somit problematisch. Die einzige Lösung besteht oftmals darin, den Anhänger abzukoppeln und vor dem Laden gesondert abzustellen. Das kostet unnötig Zeit und Mühen.
Fazit: Theorie ist nicht gleich Praxis
Für Caravaner wird der Traum von der Elektromobilität vorerst ein Traum bleiben. Die Ansätze der Wohnwagenhersteller sind zwar vielversprechend, jedoch scheitert es noch an der praktischen Umsetzung. Insbesondere mangelt es noch an einer geeigneten Ladeinfrastruktur für Gespanne.
Wir dürfen nicht vergessen, dass die E-Mobilität immer noch in den Kinderschuhen steckt. Wenn wir die ersten frühen Elektroautos des 19. Jahrhunderts außer Acht lassen, sind serienreife E-Autos erst seit den 1990er-Jahren erhältlich. Für diese verhältnismäßig kurze Entwicklungsgeschichte ist die E-Mobilität eigentlich schon ein gutes Stück vorangeschritten.